Liebe Mitglieder
Wie bereits angekündigt haben wir unsere Mitgliederversammlung aufgrund der Einschränkungen wegen des Corona-Virus sowie des Wechsels im Präsidium verschoben.
Sie findet am Dienstag, 6. Oktober ab 17:15 in Bern statt.
Wie immer wird die Hauptversammlung von einem Zusatzprogramm und Apéro gerahmt. Die Einladung mit weiteren Informationen erhalten Sie im August per Post.
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Monatliches Portrait
Im Juni widmen wir unser Portrait unserem Mitglied Dr. iur. Nula Frei. Sie arbeitet als Oberassistentin am Institut für Europarecht der Universität Fribourg und als Lehrbeauftragte an der Universität Genf. Zuvor war sie wissenschaftliche Assistentin am Zentrum für Migrationsrecht und am Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte der Universität Bern. Ihre Dissertation, die mit dem Brigitte Schnegg Preis für Geschlechterforschung ausgezeichnet wurde, hat sie an der Universität Bern über den Schutz von Menschenhandelsopfern im Asylverfahren verfasst.
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In der Zeitschrift für Schweizerisches Recht ist kürzlich ein Artikel von Nula Frei erschienen, der für unsere Mitglieder interessant sein könnte und uns veranlasst hat, ihr ein paar Fragen dazu zu stellen:
JuCH: Frau Frei, Sie haben den Artikel „Gleichheits- und Repräsentationsverständnisse im verfassungsrechtlichen Diskurs um "Frauenquoten"“ verfasst. Was hat Sie bewogen, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen?
Frei: Ich wollte ursprünglich, inspiriert von aktuellen Diskussionen um Parität in Parlamenten, über Geschlechterquoten bei politischen Wahlen schreiben. Dabei merkte ich, dass sich die Diskussion um „Quoten“ ganz allgemein seit den 1990er-Jahren kaum verändert hat. Es werden auch heute noch die gleichen Argumente dafür und dagegen vorgebracht, und eigentlich kreisen sie alle darum, dass die Akteure unterschiedliche Verständnisse davon haben, was „Gleichheit“ eigentlich bedeutet und wie sie erreicht werden soll. Ein grosser Teil der Kontroverse um „Quoten“ entsteht meines Erachtens daraus, dass nicht reflektiert wird, wie sich diese Gleichheitsverständnisse zueinander verhalten.
Das Bundesgericht hat dreimal die Frauenquote als verfassungswidrig eingestuft. Im rechtswissenschaftlichen Diskurs werden diese Urteile von Vielen kritisiert. Können Sie kurz die unterschiedlichen Gerechtigkeits- und Gleichheitsverständnisse, die diesen Diskurs prägen, erläutern?
Es geht um den Unterschied zwischen formeller und materieller Gleichheit. Die formelle Gleichheit verlangt gleiche Behandlung im Verfahren, materielle Gleichheit verlangt gleiches Ergebnis, also Parität. Beide Gleichheitskonzepte sind in Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung verankert. Quoten zielen auf die Herstellung materieller, also tatsächlicher Gleichheit, nehmen dadurch aber eine Verletzung des formellen Gleichbehandlungsgrundsatzes in Kauf, weil einzelne Gruppen privilegiert werden. Hingegen führt formelle Gleichbehandlung häufig zu Verletzungen der materiellen Gleichheit, weil dadurch Menschen bevorzugt werden, die bessere Startbedingungen haben. Der Spruch „Es ist Reichen wie Armen verboten, unter Brücken zu schlafen und Brot zu stehlen“ drückt dies schön aus. Das Bundesgericht sieht bei Quoten einen Konflikt zwischen diesen beiden Gleichheitskonzepten, was ich in dem Artikel hinterfrage.
Sie plädieren dafür, Chancengleichheit als Teil der formellen und nicht der materiellen Gleichheit zu verstehen. Mit welchen Argumenten?
Das Bundesgericht hat geurteilt, dass Quoten nur „materielle Chancengleichheit“, aber keine Ergebnisgleichheit verfolgen dürfen. Das ist m.E. aber falsch, da Chancengleichheit, also die Herstellung gleicher Startbedingungen (z.B. durch Bildung, Frauenförderung etc.), einen integralen Bestandteil des formellen Gleichbehandlungsgrundsatzes darstellt. Formelle Gleichbehandlung ohne Chancengleichheit führt, überspitzt gesagt, zur Durchsetzung des Rechts der Stärkeren. Das ist, wie wenn man im Sport alle gegen alle antreten lässt und sich dann wundert, dass in aller Regel nur die Gesunden, Grossen und Starken gewinnen. Wenn das Bundesgericht also nur Chancengleichheit als Ziel von Quoten zulässt, postuliert es eigentlich nur die Selbstverständlichkeit, dass der Staat für ein „level playing field“ sorgen muss, damit formelle Gleichbehandlung überhaupt möglich ist. In der Bundesverfassung steht aber „das Recht sorgt für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung.“ Damit sind auch materielle Aspekte, also Ergebnisgleichheit, angesprochen, sonst würde es nicht gesondert in der BV stehen.
In Ihrem Artikel stellen Sie in Frage, dass bei der Verhältnismässigkeitsprüfung überhaupt weitere Grundrechte wie z.B. die Wirtschaftsfreiheit tangiert werden. Können Sie dies weiter ausführen?
Eine Verhältnismässigkeitsabwägung ist nur geboten, wenn man davon ausgeht, dass eine Quote ein Eingriff in die Grundrechte derjenigen Personen darstellt, die von der Quote nicht profitieren können, meistens also von männlichen, weissen Mitbewerbern. Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die Quote dem Abbau historisch gewachsener Ungleichheiten und der tatsächlichen Gleichstellung dient, dann wird klar, dass durch eine solche Verhältnismässigketisabwägung die bisherigen Privilegien – also der Vorsprung, den die männlichen weissen Mitbewerber haben – grundrechtlichen Schutz erhalten. Die bisherigen ungleichen Verhältnisse im Erwerbsleben werden so durch die Wirtschaftsfreiheit geschützt. Der gleichen Logik folgt beispielsweise auch der Begriff der „umgekehrten Diskriminierung“. Eine Diskriminierung (und damit ein Grundrechtseingriff) könnte aber nur vorliegen, wenn die aktuelle Situation symmetrisch wäre, was sie ja aber eben gerade nicht ist. Indem das Bundesgericht Quoten gegen andere Grundrechte abwägt, wird das Anliegen der Quote abgewertet und ad absurdum geführt.
Sie kritisieren das in der Schweiz herrschende Repräsentationsverständnis. Wie müsste Repräsentation Ihrer Meinung nach verstanden werden?
Gerade bei politischen Quoten, aber auch in privatwirtschaftlichen Verwaltungsräten und Geschäftsführungen geht es nicht nur um Gleichheit, sondern auch um die Frage: Wer ist eigentlich repräsentiert? Und: Können Männer auch Frauen vertreten oder funktioniert Repräsentation nur durch Gleiche? Der Entscheid, wer durch wen repräsentiert ist, und welche Eigenschaften derart wichtig sind, dass sie in einem Parlament gesondert repräsentiert werden, ein politischer Entscheid ist, über den man diskutieren können muss. Das Schweizer Wahlrecht kennt beispielsweise „Repräsentationsquoten“ in Bezug auf die geographische Herkunft mit Wahlkreisen: Als Aargauerin soll ich in Bundesbern durch Aargauer*innen vertreten werden. Bei der Diskussion um Geschlechterquoten wird hingegen häufig der Vorwurf laut, es drohe ein neuer „Tribalismus“ oder die Rückkehr in die Ständegesellschaft. Aber auch die geographische Repräsentation ist nicht gottgegeben und wurde irgendwann politisch so festgelegt, genauso wie z.B. der garantierte Sitz für den Berner Jura in der Berner Kantonsregierung. Wenn das Bundesgericht nun in den Quoten-Urteilen sagt, nur wahlsystemrelevante Abweichungen vom Prinzip der Stimm- und Wahlrechtsfreiheit seien zulässig, dann wird die aktuelle Art der Repräsentation als politisch neutral deklariert und der Diskussion entzogen. Diese vermeintliche Neutralität der herrschenden Verhältnisse ist ein Muster, der im gesamten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsdiskurs zu beobachten ist. Sie delegitimiert Argumente, die auf die Ungleichheit und die strukturbedingte Benachteiligung von Frauen hinweisen und deren Abbau fordern.
Der Artikel ist hier nachzulesen: Zeitschrift für schweizerisches Recht = Revue de droit suisse = Rivista di diritto svizzero, 2020/1/173, Helbing und Lichtenhahn Verlag.
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Daten nächste Netzwerktreffen
1. Juli, 18:30: Netzwerktreffen Basel
7. Juli, 12:15: Mittagstreff Bern
14. Juli, 12:15: Lunch réseautage à Lausanne
weitere Infos hier
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Veranstaltungen und Kurse
Women's Leadership Programme: Aiming Higher
Would you like to be promoted next year? Are you looking for a new challenge with more responsibility or a broader sphere of influence? Are you a female manager or specialist or have you been identified as a young talent? The "Aiming Higher - Women's Leadership Programme" offers women the right content to advance their careers. The programme is designed in a blended learning format. The first five modules are web-based (online), followed by a full-day seminar in St. Gallen. In addition to obtaining a deeper understanding of leadership in organisations and companies, you will reflect on your own leadership competencies, enhance your negotiation skills and personal impact, and participate in a unique mentoring programme that will help you achieve your next career steps. more
25. August, Zürich: Schweizer IT-Juristinnentag
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CAS Intellectual Property Law
Die Weiterbildung wird in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) angeboten. Nach dem Absolvieren des CAS verfügen Sie über eine qualifizierte Fachausbildung im Immaterialgüterrecht. Der CAS richtet sich an Juristen und Juristinnen sowie Personen mit technischem, naturwissenschaftlichem oder medizinischem Hintergrund. mehr
10. November, Kursaal Bern: Nationale Konferenz 2020 des EBG: Neue Rechtsgrundlagen zum Schutz vor Gewalt
Verschiedene aktuelle Gesetzesanpassungen haben zum Ziel, den Schutz gewaltbetroffener Personen in der Schweiz zu verbessern. An der nationalen Konferenz werden die straf- und zivilrechtlichen Anpassungen sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene dargelegt und deren Umsetzung und Auswirkung in der Praxis beleuchtet. mehr
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Jobs
Senior Gender Justice and Developement Consultant/UNRISD
We are delighted to announce that UNRISD is seeking an outstanding researcher to lead our new programme of work on Gender Justice and Development. more
Juristin / 40%-Pensum
Der efz – das traditionsreiche Zürcher Frauenunternehmen ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in der Stadt Zürich. Der efz unterhält die Siedlung Brahmshof, betreibt ein Kinderheim und eine Kinderkrippe und bietet Rechts- und Sozialberatung für Frauen in Zürich und Winterthur an. Die Beratungsstellen sind Anlaufstellen für juristische und psychosoziale Fragen. mehr
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