Herbstsession 2022
Vorschau auf die energiepolitischen Geschäfte der Herbstsession 2022 des Grossen Rates
In der Herbstsession des Grossen Rates, welche am 5. September 2022 beginnt, sind nur wenige energiepolitische Geschäfte traktandiert. Die bedeutendste energierelevante Vorlage ist diesmal die Steuergesetzrevision 2024. Ausserdem sind drei Motionen im Fokus.
Kantonale Steuergesetzrevision 2024
Mit der kantonalen Steuergesetzrevision 2024 soll die steuerliche Behandlung von Solaranlagen vereinheitlicht und stärker gefördert werden.
So sollen neu sämtliche Photovoltaik- und Solarthermieanlagen von der amtlichen Bewertung ausgenommen werden, und es ist in allen Fällen auf eine Erhöhung des Eigenmietwertes zu verzichten. Zudem bleibt der Erlös aus dem Verkauf von selbst produziertem Strom künftig im Umfang des Eigenbedarfs steuerfrei (so genanntes «Nettoprinzip»), weshalb bei kleinen Anlagen auf eine Einkommensbesteuerung verzichtet werden kann. Die Investitionskosten für Photovoltaik- und Solarthermieanlagen sind neu bereits bei der Erstellung eines Neubaus abziehbar – und nicht wie bisher erst später bei bestehenden Gebäuden.
Zur vorgeschlagenen Vereinheitlichung und Förderung von Energiemassnahmen gab es breite Unterstützung im Rahmen der Vernehmlassung. Entgegen der Vernehmlassungsvorlage verzichten der Regierungsrat und die Finanzkommission darauf, dass die Gemeinden bei der Festlegung der Liegenschaftssteuer ökologische Kriterien anwenden können. Der entsprechende Vorschlag wurde im Rahmen der Vernehmlassung zu Recht als unverhältnismässig aufwendig kritisiert. Da die Liegenschaftssteuer vergleichsweise tief ist, kann mit einer ökologischen Ausgestaltung kein spürbarer Lenkungseffekt erzielt werden.
Der BEV begrüsst die vorliegende Revision.
Strategie für die Erteilung und Erneuerung von Konzessionen für Wasserkraftwerke
Mit einer Motion verlangt die Mitte vom Regierungsrat 1. eine Strategie für die Erteilung und Erneuerung von Konzessionen für Wasserkraftwerke, wobei die Motionäre primär die KWO im Fokus haben; 2. soll der Regierungsrat aufzeigen, was ein Heimfall der Konzession der KWO AG für den Kanton Bern bedeuten würde; 3. wie der Kanton Bern mit den verschiedenen Rollen als Konzessionsgeber, als Hauptaktionär der BKW und als Begünstigter im Heimfall umgehen will; 4. ob der Kanton selber oder andere Gesellschaften die Beteiligung der BKW, der ewb, der ewz oder der iwb an den KWO AG übernehmen oder ergänzen könnte; 5. wie er die KWO AG bzw. ihre Eigner veranlassen will, die Kraftwerke innert einer vereinbarten Frist dann tatsächlich zu bauen und in Betrieb zu nehmen; 6. ob in der Vergangenheit erteilte Konzessionen oder Konzessionserweiterungen nicht oder nur teilweise genutzt wurden und 7. warum die Mittel für Investitionen oder Darlehen des Kantons für die Abwicklung des Heimfalls von Konzessionen, die Beteiligung an Kraftwerken und für weitere Fördermassnahmen im Energiebereich mit dem Verkauf von BKW-Aktien bis zur Sperrminorität zu finanzieren.
Der Regierungsrat teilt die Haltung der Motionäre, wonach sich der Kanton frühzeitig und strategisch mit den Handlungsoptionen beschäftigen muss, welche sich beim Auslaufen von Konzessionen der Wasserkraft ergeben. Obwohl es bis zum Auslauf erster grosser Konzessionen noch lange dauert, ist der Regierungsrat bereit, diese strategischen Fragen im Sinne der Punkte 1 bis 6 aufzuarbeiten.
Zur Forderung in Ziffer 7 verweist der Regierungsrat auf den Bericht «Perspektiven der Beteiligung an der BKW AG», den der Grosse Rat in der Sommersession 2021 beraten hat. Eine Änderung des Beteiligungsanteils sei damals deutlich verworfen worden. Der Regierungsrat werde diesen Punkt aber im Rahmen der geforderten Strategie nochmals prüfen. Die vom Vorstoss gewünschte Strategie werde der Regierungsrat dem Grossen Rat zur Kenntnisnahme vorlegen.
Der BEV schliesst sich den Ausführungen des Regierungsrates an.
Ausstieg aus dem Gas
Aus der Tagesaktualität heraus verlangen die Grünen mit einer Motion den Ausstieg aus dem Gas im Kanton Bern. Der Regierungsrat soll beauftragt werden, 1. zu prüfen, wie der fossile Gasverbrauch im Kanton Bern schnell gesenkt werden kann; 2. die Energiestrategie 2006 mit dem Ziel anzupassen, den fossilen Gasverbrauch rasch zu senken; 3. den Ersatz von Gasheizungen auf Erneuerbare ins Förderprogramm Energie aufzunehmen; 4. die Fördergelder deutlich zu erhöhen, damit auch Gasheizungen rasch ersetzt werden können und 5. den Mindestanteil an erneuerbarem Gas als ergänzende Standardlösung in der Energieverordnung auf mindestens 50 Prozent zu setzen.
Der Regierungsrat nimmt zu den einzelnen Punkten differenziert wie folgt Stellung. Zu Punkt 1: Der Regierungsrat ist bereit, zu prüfen (eigentlich ein Postulat und keine Motion), wie der fossile Gasverbrauch im Kanton Bern schnell gesenkt werden kann.
Zu Punkt 2: Auch diesen Punkt will der Regierungsrat als Motion entgegennehmen und dem Ziel der Motionäre möglichst Rechnung zu tragen.
Zu Punkt 3: Aufgrund des erhöhten Förderbudgets per 2022 und der Nachfrageentwicklung im ersten Quartal 2022 konnte das Anliegen bereits umgesetzt werden. Per 2. Mai 2022 wurde das Förderprogramm für erneuerbare Energie und Energieeffizienz angepasst und die Forderung der Motion wie folgt umgesetzt: 1. Es werden nur noch Gebäudesanierungen finanziell gefördert, bei denen nach der Sanierung keine Öl-, Gas- oder Elektroheizung mehr in Betrieb ist. 2. Der Ersatz von Gasheizungen wird finanziell gefördert. Beitragshöhe und Bedingungen entsprechen denjenigen wie beim Ersatz einer Ölheizung. Der Regierungsrat beantragt daher Punkt 3 als Motion anzunehmen und gleichzeitig abzuschreiben.
Zu Punkt 4: Ob die heutigen Fördermittel für den Ersatz von Gasheizungen ausreichend sind oder nicht, wird sich im Laufe des Jahres 2022 zeigen. Die aktuelle Lage in der Energieversorgung erzeugt auf Seite der Gebäudebesitzer eine grosse Nachfrage beim Heizungsersatz. Auf der anderen Seite bremsen die langen Lieferfristen und die beschränkten Ressourcen bei den Fachkräften eine schnelle Umsetzung.
Der Regierungsrat ist bereit, die Entwicklung beim Gesucheingang zu beobachten und bei Bedarf eine allfällige Mittelaufstockung zu prüfen. Der Regierungsrat beantragt daher Punkt 4 als Postulat anzunehmen.
Zu Punkt 5: Das revidierte KEnG gibt dem Regierungsrat die Kompetenz, die Berücksichtigung von erneuerbarem Gas durch Verordnung festzulegen. Bei der Ausgestaltung der Kantonalen Energieverordnung (KEnV) wurde geprüft, ob die von den Motionären vorgeschlagene Anforderung sinnvoll und machbar ist. Aus Sicht der Gasversorger sei das der Fall. Der Regierungsrat beantragt Punkt 5 als Motion anzunehmen.
Der BEV teilt grundsätzlich die Auffassung des Regierungsrates. Allerdings weist er darauf hin, dass Gas nicht nur zu Heizzwecken in Wohngebäuden Verwendung findet, sondern auch in der Industrie bei unterschiedlichen Produktionsverfahren, die Dampf, heisses Wasser, Hitze oder Kälte erfordern, zum Einsatz kommt. Diese Prozessenergie zu substituieren, dürfte um einiges schwieriger sein.
Versorgungssicherheit im Kanton Bern stärken
Eine Motion mit Absendern aus verschiedenen Parteien möchte die Versorgungssicherheit im Kanton Bern stärken. Der Regierungsrat soll eine Notfallstrategie für die Stromversorgung entwickeln und Strombewirtschaftungsmassnahmen vorbereiten, um eine eingetretene Strommangellage bis und mit Netzzusammenbruch während längerer Zeit bewältigen zu können.
Der Regierungsrat lehnt mit umfangreichen (zutreffenden) Ausführungen den Vorstoss ab, weil er den Kanton Bern nicht in der Pflicht sieht und auch dessen Beitragsmöglichkeiten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bescheiden sind. Für den Fall einer länger anhaltenden Strommangellage gäbe es indessen auf nationaler Ebene verschiedene Massnahmenpakete zur Strombewirtschaftung.
Aus der Sicht des BEVs ist ergänzend noch folgendes festzuhalten: Die einzelnen Elektrizitätsversorgungsunternehmen haben ebenfalls keine gesetzliche Pflicht, die Versorgung mit genügend Strom sicherzustellen. Sie könnten diese - selbst, wenn sie wollten - unter Umständen gar nicht erfüllen, weil letztlich nur so viel Strom verfügbar ist, wie die eigenen Produktionsanlagen und der Markt hergeben.
Es bleibt an der Politik, die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Produktionspark so zu gestalten, dass ein Interesse daran besteht, Anlagen zu bauen und zu unterhalten, damit letztlich allzeit genügend Strom verfügbar sein wird.